Von Cucuminis bis Ochsenherz

Ein Blick auf die Bandbreite des Wiener Gemüse- und Zierpflanzenbaus.

Na, hat Ihnen Ihr gemischter Salat gestern geschmeckt? Die Paradeiser prall und tiefrot, der Paprika knackig, der grüne Salat resch und die Gurke frisch und saftig. Kann es sein, dass die Zutaten aus regionalem Anbau kommen? Denn Erntefrische, volle Reife und voller Geschmack, inklusive der begehrten Inhaltsstoffe, sind ein Zeichen für kurze Transportwege und das Handwerk der Wiener Gemüsegärtner.

 

Etwas mehr als 200 bäuerliche Betriebe haben sich in der Bundeshauptstadt der Kultivierung diverser Gemüsesorten verschrieben - vornehmlich sind sie in Simmering und der Donaustadt zu finden. Besonders die Gewächshäuser sind beim Sonntagsausflug nicht zu übersehen. Bewirtschaftet werden mehr als 815 ha. Darauf gedeihen pro Jahr insgesamt 71.744 t Gemüse oder umgerechnet mehr als ein Drittel jener Menge, die in Wien verspeist wird. Welche andere Weltstadt kann das von sich behaupten. Die Hauptsorten sind Gurken (27.445 t), Paradeiser (19.355 t), Salat (10.889 t) und Paprika (7.950 t).

Tradition und moderne Technologie gehen in den heutigen Wiener Gartenbaubetrieben Hand in Hand. Das wird in der langjährigen Bewirtschaftungsfolge deutlich - kaum ein Betrieb, der nicht schon seit Generationen in Familienhand wäre, manche blicken sogar auf eine Jahrhundertelange erfolgreiche Geschichte zurück. Das entspricht gleichzeitig in jeglicher Hinsicht dem heute so oft geforderten Nachhaltigkeitsgedanken, mit dem strengen Blick darauf, den Kindern und Kindeskindern eine gesunde Lebensbasis zu hinterlassen.

 

An´s Ochsenherz hat er sein Herz verloren

Einer, dem der Beruf in die Wiege gelegt wurde, ist Franz Panagl, Gemüsegärtner in 3. Generation auf der Simmeringer Haide, wo er gemeinsam mit Frau und Sohn verschiedene Paradeisersorten züchtet. Seit etwa zwei Jahren hat er aus den Hunderten bekannten Sorten das Ochsenherz für sich entdeckt - eine alte Sorte, die, wie er sagt "nicht nur lange Erfahrung sondern auch das entsprechende Feingefühl benötigt". Dem erklärten Genossenschaftsfan ist es gelungen, mit dieser - aufgrund ihrer erstaunlichen Größe nicht übersehbaren Paradeiserart mit ihrem besonderen Geschmack  - den Gaumen der Wienerinnen und Wiener zu erobern.

 

Spezialitäten für den Wiener Markt

Um als Gärtnerbetrieb erfolgreich zu sein, darf man nicht zu sehr an Traditionen hängen. Das bedeutet wie im Fall von Franz Panagl nicht, dass man alte Sorten außer Acht lassen sollte, oder bewährte Praxistipps nicht ihre Gültigkeit hätten. Dennoch ist manchmal auch ein Umdenken notwendig und Mut erforderlich, um etwa Neues zu versuchen. Immer mehr Wiener Gärtner wagen den Schritt in die Spezialisierung. Das ist oft ein langwieriger Prozess, bis neue Sorten oder auch Gemüsearten in unseren Breiten kultivierbar sind, Ertrag abwerfen und schließlich auch bei den Verbrauchern reüssieren. Den Rückhalt für solche Projekte finden viele Betriebsführer in der Mitgliedschaft bei der Erzeugergemeinschaft LGV Frischgemüse, die nicht nur die Vermarktung übernimmt, sondern sie auch bei der Forschung unterstützt. Für Franz Panagl der optimale Partner, denn "ich trage nie das volle Risiko".

 

Der Herr der Minis

Auch Martin Flicker hat sich spezialisiert. Während er in den Anfangsjahren eine breite Gemüsepalette angepflanzt hat, weiß er nun bestens über Gurken Bescheid. Seine neueste Sorte ist der Liebling der Kinder und ein echter Pausensnack. "Cucuminis" heißen die handlichen kleinen Gürkchen, die in jede Brotdose passen und sich zum Knabbern zwischendurch eignen. Eben etwas Besonderes für die Wiener Konsumenten. Auf die Frage, was für ihn der Beruf ausmacht, ist Flicker sehr ehrlich: "Es braucht ein Gespür für die Pflanze - ein bisserl Arbeitswille schadet auch nicht".

Die Arbeitsweise der Wiener Gemüsegärtner hat sich im Lauf der Jahre sehr stark verändert. War es früher eine körperlich schwere und überwiegend händisch durchgeführte Arbeit, hat mittlerweile der technische Fortschritt viele Bereiche übernommen - teils sehr zum Leidwesen der Gärtner, denn damit hat auch der immerwährende Kontakt zu den Pflanzen nachgelassen und wurde von zunehmenden Managementaufgaben abgelöst.

 

Georg Kölbl heizt den Wienern ein

Er sei nicht nur Gärtner sondern auch Schlosser, Elektriker und müsse am Betrieb eben überall anpacken, wo es notwendig sei, so Georg Kölbl, dennoch sei es für ihn "der schönste Beruf, den es gibt". Besondere Freude hat der junge Betriebsführer aus der Donaustadt damit, "den Pflanzen beim Wachsen zuzusehen und mit ihnen zu arbeiten".  Die Ernte sei dann das Highlight. Für seine Produkte gibt es eine eigene Maßeinheit - Scoville. Kölbl hat die Chili für sich entdeckt und in Österreich einen Markt für dieses Nischenprodukt geschaffen. Der Erfolg lässt ihn selbst staunen. Heute bietet er 15 verschiedene Sorten in unterschiedlichen Schärfegraden an - die überwiegend unter Glas kultiviert wurden (http://chillhof.at).

 

Damit die Natur weiter mitspielen kann

Auch wenn der Beruf mittlerweile stark mechanisiert und technisiert ist, die enge Beziehung zur Natur bleibt den Gärtnern in Wien, wie auch allen anderen bäuerlichen Sparten, erhalten. Daher setzen sie mit ihrer Produktionsweise alles daran, sich dieses wichtige Gut und vor allem den Boden in gutem Zustand zu erhalten. Umweltgerechter Anbau ist dabei das Stichwort. So wurde über die Jahre der Einsatz von Nützlingen als natürliche Gegner von Pflanzenschädlingen perfektioniert und damit Pflanzenschutzmittel auf ein unerlässliches Minimum zurückgefahren. Auch die Sicherung der Grundwasserqualität spielt hierbei eine bedeutende Rolle.

In und mit der Natur zu arbeiten ist auch der Leitgedanke von Andrea Steinhart. In ihren Glashäusern ist aber nicht die gutaussehende Blondine die tonangebende, sondern vielmehr ein sensibles Früchtchen namens Viola. Steinhart hat vor einigen Jahren mit der Kultivierung verschiedener Melanzanisorten begonnen und kann diese nicht nur im gekannten dunkellila anbieten, sondern auch in weiß - mit leichtem Pilzgeschmack -, rund oder gestreift. Ab Mitte März bis in den Herbst hinein, erntet sie täglich und beschert den Wienerinnen und Wienern damit vorzeitig einen Hauch von Urlaub.

Auf eine lange Tradition kann auch der Zierpflanzenbau in Wien zurückblicken. 92 Betriebe befassen sich aktuell mit der Produktion ein- und mehrjähriger Pflanzen und Schnittblumen in Glashäusern und im Freiland auf einer Gesamtfläche von rund 54 Hektar. Einige haben neben dem Schwerpunkt der Pflanzenproduktion ihr Angebot erweitert und bieten auch einen Überwinterungsservice für Balkon- und Kübelpflanzen an, was in einer Großstadt wie Wien, mit ihrem beschränkten Wohnraumangebot, sehr gerne angenommen wird.